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VG Berlin 35 A 153.94, B.v. 23.03.95, IBIS e.V.: C1241



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VG Berlin 35 A 153.94, B.v. 23.03.95, IBIS e.V.: C1241. Der aus Serbien-Montenegro/Bundesrepublik Jugosla­wien-BRJ (Kosovo) stammende Antragsteller hat Anspruch auf Erteilung einer Duldung.

Dies folgt nicht aufgrund eines Abschiebehindernisses gem. § 53 Abs. 1-4 AuslG, insbeson­dere nicht aus der Gefahr der Heranziehung zum Wehrdienst. Das Grundrecht auf Kriegsdienstver­weige­rung (Art 4 Abs. 3 GG) schützt nur vor Heranziehung zum deutschen Militär. Darüber hinaus liegen keine Er­kenntnisse über einen völkerrechtswidrigen Einsatz der jugoslawischen Bundesarmee im bosnischen Bür­gerkrieg vor. Selbst die Gefahr der Bestrafung wegen Entziehung vom Wehr­dienst hindert gem § 53 Abs. 5 die Abschie­bung nicht, sofern sich die Strafe im Rahmen der dort geltenden Gesetze hält. Sollte der An­tragsteller auf­grund der allgemeinen Lage im Kosovo, wegen Wehrdienstentziehung oder wegen politi­scher Aktivi­täten bei der Heranziehung zum Wehr­dienst oder bei einer etwaigen Verhaftung und Bestrafung Willkür­maßnah­men seitens der Polizei, Justiz oder Ar­mee wegen seiner albanischen Volkszugehörigkeit ausge­setzt sein, ist er mit diesem Vorbrin­gen auf das BAFl zu verweisen, weil die Ausländer­behörde für die Prüfung politi­scher Verfolgung nicht zuständig ist (§ 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG, ein Asylantrag ist bisher nicht gestellt wor­den). Eine erhebliche kon­krete Gefahr gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist weder dargetan noch ersicht­lich.

Ein Duldungsanspruch folgt jedoch aus § 55 Abs. 2 AuslG, weil die Abschiebung aus tatsächli­chen Gründen derzeit unmöglich ist. Am 2.1.95 hat das BMI der Senatsverwaltung für Inneres mit­ge­teilt, daß hin­sichtlich direkter Luftabschiebungen nach Belgrad von einer gegen Null gehen­den Rück­nah­mebereit­schaft der jugoslawischen Behörden auszugehen sei. Soweit das Auswärtige Amt der Kammer am 8.2.95 "ergän­zend" mit­geteilt hat, daß auch Direktabschiebungen nach Belgrad im­mer wieder gelängen, wird of­fenbar auf nicht belegte "positive Erfahrungen" Bezug genommen, die einzelne Bundes­länder im Rahmen von Bund-Länder Bespre­chungen angedeutet, aber nicht belegt hätten. Am 13.3.95 hat der BGS Koblenz dem OVG Berlin mitgeteilt, daß seit etwa Anfang Novem­ber 94 im Luftverkehr nach Bel­grad ein fak­tischer Abschiebes­topp besteht und abge­schobene Ju­goslawen an der Einreise ge­hindert und nach Deutschland zurückgeflo­gen werden. Auch hat Berlin - wie die Überführungsstelle der Po­lizei mitge­teilt hat - in den ver­gangenen Mona­ten keine einzige Abschiebung nach Belgrad durchgeführt. Hintergrund ist die Forderung der Belgrader Regie­rung nach einem Rückübernahme­abkommen sowie nach finanzieller Unter­stützung, was jedoch von deutscher Seite strikt abgelehnt wird (vgl das Schreiben des BMI v. 2.1.95). Aus diesen Gründen werden von den Bot­schaften der Bundesrepublik Jugosla­wien, sofern die Be­troffe­nen kei­nen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland nachweisen, auch keine Passer­satzpa­piere mehr aus­gestellt (vgl Verbal­note v. 18.1.95 an das Auswärtige Amt).

Bei angeblich gelungenen Abschiebungen über Drittländer, insbesondere Ungarn und Bul­ga­rien handelt es sich um "kontrolliert freiwillige Ausreisen", weil diese Länder ausschließlich freiwillig an­kom­menden Touristen die Einreise gestatten. Ob diejenigen, die nach Sofia ausgereist sind, überhaupt ihr Heimat­land erreicht haben ist nicht bekannt.

Schließlich scheitert der Duldungsanspruch nicht an der von der Rechtsprechung des OVG Berlin entwic­kel­ten Einschränkung, daß eine freiwillige Rückkehr möglich sei (wenn man überhaupt die Vorschrift des § 55 Abs. 2 AuslG um dieses Tatbestandsmerkmal erweitern darf). Es muß davon ausgegangen wer­den, daß in Deutschland abgelehnten Asylbewerbern die Einreise verweigert wird, als abgelehnte Asylbe­werber wer­den alle Personen ohne deutsche Aufenthaltserlaubnis be­handelt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an die Kam­mer v. 1.3.95 über ein Gespräch von Bot­schaftsvertretern im Jugoslawischen Außen­ministerium, so­wie tele­fonische Auskunft des BMI). Die Einreiseverweigerung erscheint im Hinblick auf die Vertreibungs­ab­sicht der Jugoslawiens nur kon­sequent. Angebliche Möglichkeiten einer illegalen Einreise auf den Land­weg stehen ei­nem Dul­dungsan­spruch nicht entgegen - Versuche, Grenzkontrollen zu umge­hen, erschei­nen nicht zumutbar.

Wenn demnach grundsätzlich Flüchtlingen aus Serbien/Montenegro unabhängig von ih­rem persönlichen Schicksal Duldungen erteilt werden müssen, so folgt dies letztlich aus einem völkerrechtlichen Spannungsverhältnis zwischen den Regierungen in Belgrad und Bonn, das nur über die derzeit laufenden Verhandlungen gelöst werden kann, nicht je­doch durch das Abdrängen Tausender von Flüchtlingen in einen Zustand strafbarer Il­le­galität.

Der Anordnungsgrund folgt aus dem Interesse des Antragstellers an der Regelung seines aufent­haltsrecht­li­chen Status, ohne den sein weiterer Verbleib in Deutschland strafbar, der Bezug von Sozialhilfe zumindest er­heblich erschwert und die Aufnahme einer Arbeit unzulässig wäre.



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