OVG Rheinland-Pfalz 7 A 10463/06.OVG, U.v. 24.08.06, Asylmagazin 10/2006, 21; InfAuslR 2006, 492, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/8760.pdf (Revision beim BVerwG anhängig)
Eine aufgrund § 12 II AufenthG erteilte Wohnsitzauflage (hier: für das Bundesland Rh-Pfalz) für Konventionsflüchtlinge ist wg. Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA und des Art 23 GFK rechtswidrig.
Nach § 12 II S. 2 AufenthG können Visum und Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung verbunden werden. Hierzu zählt auch die Aufenthaltsbefugnis des Klägers, die gemäß § 101 II AufenthG als Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 25 II AufenthG fortgilt.
Für die im Ermessen der Behörde stehende Wohnsitzauflage muss aus besonderen Gründen ein öffentliches Interesse bestehen (vgl. Renner, AuslR, § 12 AufenthG Rn 22). Nach den Vorgaben in Rundschreiben des MI Rh-Pf v. 27.07.05 wurde die Wohnsitzauflage erlassen, weil der Kläger Sozialleistungen bezog. Danach soll die Auflage aufgehoben werden, wenn der Ausländer in einem anderen Bundesland eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und eine Wohnung beziehen kann. Laut Rundschreiben MI sollen wohnsitzbeschränkende Auflagen bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des AufenthG erteilt und aufrechterhalten werden, solange sie Leistungen nach SGB II oder XII oder AsylbLG beziehen. Ziel sei, zu vermeiden, dass einzelne Bundesländer mit Sozialhilfeempfängern aus anderen Bundesländern belastet werden. Auch nach § 6 SGB II seien eine Reihe von Leistungen durch kommunale Träger zu erbringen.
Ziel der Wohnsitzauflage ist somit nicht, die Binnenwanderung von Sozialleistungen beziehenden Ausländern in Ballungsgebiete und damit verbundene Probleme zu verhindern. Für dieses Ziel wäre die den Wohnsitz lediglich auf das Land Rheinland-Pfalz beschränkende Auflage auch kaum geeignet. Die Wohnsitzauflage dient vielmehr allein dem Zweck, eine Verlagerung von Sozialleistungslasten in andere Bundesländer zu vermeiden.
Hierfür ist die Wohnsitzauflage nur ein beschränkt geeignetes Mittel. Durch sie ist der Kläger rechtlich nicht an Reisen im Bundesgebiet gehindert. Für die Sozialhilfe nach dem SGB XII ist aber die Stelle örtlich zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte "tatsächlich" aufhält (§ 98 I SGB XII). Für Leistungen nach dem SGB II richtet sich die örtliche Zuständigkeit zwar nach dem "gewöhnlichen" Aufenthalt (§ 36 SGB II). Träger der Leistungen ist aber überwiegend die Bundesagentur für Arbeit (§ 6 Abs. 1 SGB II), bei der sich die Frage einer Verlagerung von Sozialleistungslasten nicht stellt.
Ob vor diesem Hintergrund ein öffentliches Interesse an der Wohnsitzauflage besteht, kann indes offen bleiben. Denn jedenfalls verstößt sie gegen Art. 1 EFA - v. 11.12.1953 (BGBl. II 1956, 563) i.V.m. Art. 1 und 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen (BGBl. II 1956, 578) sowie gegen Art. 23 GFK v. 28.07.1951 (BGBl. II 1953, 559). Sie hält sich daher nicht innerhalb der Grenzen des durch § 12 II S. 2 AufenthG eingeräumten Ermessens und ist somit rechtswidrig. Das EFA und die GFK sind durch die jeweiligen Zustimmungsgesetze in innerstaatliches Recht transformiert worden, das Rechte und Pflichten des Einzelnen begründet (vgl. BVerwGE, 111, 200).
Der Kläger fällt als Flüchtling in den Anwendungsbereich der GFK und des Art. 1 EFA. Ihm sind daher nach Art. 1 EFA "in gleicher Weise" und "unter den gleichen Bedingungen" wie den eigenen Staatsangehörigen der BR Deutschland Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und nach dem SGB II zu gewähren. Nichts anderes gilt für Art. 23 GFK, der die Vertragsstaaten verpflichtet, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen "die gleiche Behandlung" von Flüchtlingen nicht nur nach Art und Höhe, sondern auch unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren (vgl. BVerwGE a.a.O.).
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