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SG Berlin, Urteil S 77 AL 4246/97 v. 18.2.99, InfAuslR 1999, 429; NVwZ-Beil. I 1999, 103; IBIS C1422



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SG Berlin, Urteil S 77 AL 4246/97 v. 18.2.99, InfAuslR 1999, 429; NVwZ-Beil. I 1999, 103; IBIS C1422. Anspruch auf Arbeitserlaubnis aus Härtegründen gemäß § 285 SGB III i.V.m. § 1 Abs. 2 ArGV für eine im Alter von 13 Jahren eingereiste geduldete staatenlose Kurdin aus dem Libanon nach fast 10jährigem Aufenthalt in Deutschland. Die Kurdin hatte im Juni 1997 eine besondere Arbeitserlaubnis aus Härtegründen beantragt, da sie seit über acht Jahren in Berlin lebt, hier einen Realschulabschluss erreicht hat und in den Libanon weder freiwillig ausreisen noch abgeschoben werden könne. Arbeitserlaubnisantrag und Widerspruch wurden abgelehnt.
Gründe: Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Vorliegend sind die Vorschriften des SGB III und der ArGV anzuwenden, auch wenn die angefochtenen Bescheide noch unter Geltung des AFG ergangen sind, da bei einer Verpflichtungsklage regelmäßig auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (BSG, SozR 4100 § 19 Nr. 22 m.w.N.).
Ein Anspruch der Klägerin auf eine Arbeitsberechtigung besteht nicht, jedoch hat die Klägerin Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis aus Härtegründen. Gemäß § 285 Abs. 1 SGB III kann unter den dort genannten Voraussetzungen die Arbeitserlaubnis erteilt werden. § 5 ArGV erweitert den berechtigten Personenkreis des § 284 Abs. 5 SGB III, indem bestimmte weitere aufenthaltsrechtliche Titel ausreichen, um eine Arbeitsgenehmigung erlangen zu können. Weiter ergänzend ordnet § 1 Abs. 2 ArGV an, dass abweichend von § 285 Abs. 1 Nr. 1 und 2 die Arbeitserlaubnis auch erteilt werden kann, wenn die Versagung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Sie besitzt eine Duldung gemäß § 55 AuslG, Anhaltspunkte für die in § 5 Abs. 5 ArGV angeführten Ausschlussgründe liegen nicht vor.
Das BSG hat zu § 2 Abs. 7 AEVO ausgeführt, dass sich die Auslegung der Härteregelung am Zweck der besonderen Arbeitserlaubnis auszurichten habe. Dieser bestehe im wesentlichen darin, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländers zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer widerspricht (SozR 4100 § 19 Nr. 16). Das Vorrangprinzip tritt also dann zurück, wenn die individuellen Verhältnisse als gewichtiger zu bewerten sind. Diese zu § 2 Abs. 7 ergangene Rechtsprechung ist - wenn auch etwas modifiziert - für die Härteregelung des § 1 Abs. 2 ArGV heranzuziehen. Im Unterschied zur Vorläuferregelung des § 2 Abs. 7 AEVO ist der Beklagten bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis deutlich mehr Gestaltungsspielraum gelassen worden. Im Gegensatz zur besonderen Arbeitserlaubnis, die unbefristet und ohne Beschränkungen zu erteilen war, kann eine Arbeitserlaubnis nun befristet oder auf bestimmte Berufsgruppen oder Wirtschaftsbereiche beschränkt werden (§ 285 Abs. 5 SGB III). Insoweit handelt es sich um eine schwächere Rechtsposition als die noch über § 2 Abs. 7 AEVO zu erreichende Rechtsposition. Dieser Umstand ist im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen Interessen mit zu berücksichtigen. Aus dem o.g. Maßstab folgt, dass es sich bei den "besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles" um Verhältnisse handeln muss, die nicht ganz allgemein für Ausländer im Inland gelten, die für die Arbeitsaufnahme einer Arbeitserlaubnis bedürfen. Weiter müssen diese Verhältnisse von derartigem Gewicht sein, dass sie den Vorrang der deutschen und gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer zurücktreten lasen. Bei dieser Abwägung sind vor allem die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Werteordnung zu beachten (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 16 und Nr. 22).
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass im Falle der Klägerin eine besondere Härte vorliegt, die es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vorrangprinzip zu durchbrechen. Die Klägerin ist im jugendlichen Alter von 13 Jahren eingereist und hält sich seitdem hier ohne Unterbrechung schon fast 10 Jahre auf. Hierbei ist es aber nicht allein der langjährige Inlandsaufenthalt, der für sich genommen nach der Rspr. des BSG auch unter Beachtung des Sozialstaatsprinzips nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Arbeitserlaubnis einräumen kann (SozR 4100 § 19 Nr. 16 S. 62). Vielmehr ist der Umstand ausschlaggebend, dass die Klägerin in einem solch jungen Alter eingereist ist und hier die für einen Menschen maßgebliche Jugendzeit verbracht hat. Überdies hat die Klägerin einen Realschulabschluss und gute deutsche Sprachkenntnisse. Sie zeigt damit eine deutlich fortgeschrittene Integration. Ferner hat sich ihr Aufenthalt in Deutschland faktisch zu einem Dauerzustand ausgewachsen, denn es ist fraglich, ob überhaupt jemals eine Rückkehrmöglichkeit in den Libanon bestehen wird. Nach Auffassung des OVG ist eine Beendigung des Aufenthalts aufgrund der Haltung des Libanons nicht absehbar. Nach dieser Prognose ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf unabsehbare Dauer weiterhin auf Leistungen der staatlichen Fürsorge angewiesen wäre. Bei dauerhafter Abhängigkeit von sozialer Fürsorge ohne Aussicht auf eine Änderung ist jedoch bereits der Schutzbereich der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG betroffen (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 22, S. 82). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die ablehnenden Bescheide zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis lediglich damit begründet worden sind, dass der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (kein ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesicherter Lebensunterhalt) vorliege. Durch Erteilung einer Arbeitserlaubnis würde der Klägerin aber gerade die Möglichkeit gegeben, sich weiter hier zu integrieren und möglicherweise sogar einen gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status zu erlangen, was zu einer Verwirklichung ihres Rechts aus Art. 1 GG führen könnte.
Die vorgenannten Gründe rechtfertigen es, eine besondere Härte i.S.d. § 1 Abs. 2 ArGV anzunehmen. Hierbei ist zu beachten, dass der Klägerin im Gegensatz zur früheren Regelung des § 2 Abs. 7 AEVO eine lediglich schwächere Rechtsposition eingeräumt worden ist (Ermessensentscheidung, Befristung sowie weitere Beschränkungen im Sinne des § 285 Abs. 5 SGB III). Allerdings sind im vorliegenden Fall keinerlei Gründe ersichtlich, die die Versagung der Arbeitserlaubnis im Rahmen des Ermessens auslösen könnten, aus diesem Grund ist eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen. Wie die zu erteilende Arbeitserlaubnis im Einzelnen aussieht (Befristung oder andere Beschränkungen gemäß § 285 Abs. 5 SGB III) bleibt der genaueren Entscheidung der Beklagten vorbehalten.

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