LSG NRW L 13 Kg 39/96 v. 22.8.97, IBIS C1394 Konventionsflüchtlinge haben ab Rechtskraft der Anerkennung Anspruch auf Erziehungsgeld, wenn ein Ehepartner Arbeitnehmer im Sinne der VO EG 1408/71 ist. Der Anspruch der Klägerin besteht bereits ab Rechtskraft der Anerkennung ihres Ehemannes, auch solange die Klägerin noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung ist.
§ 1 Abs. 1a BErzGG ist nicht verfassungswidrig. Der Anspruch lässt sich auch nicht aus der GK ableiten. Erziehungsgeld ist nach der bindenden Entscheidung des EuGH (InfAuslR 1997, 5) einer Familienleistung im Sinne von Art 4 Abs. 1 Buchstabe H der VO EG 1408/71 gleichzustellen. Danach hat auch der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt und mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedsstaat lebt, auf Grund von Art 73 der VO EG 1408/71 Anspruch auf eine Leistung wie das Erziehungsgeld. Im Ergebnis bedeutet das, dass es bei Familienleistungen im Sinne der VO EG 1408/71 auf den Unterschied zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten gerade nicht ankommt (vgl. Röseler, InfAuslR 1997, 7f., Eichenhofer EuZW 1996, 716 ff.).
Der Ehemann der Klägerin unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich der VO EG 1408/71. Nach Art 2 gilt die VO für Arbeitnehmer und Selbständige, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedsstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Dies bedeutet entgegen einer möglichen weitergehenden Auslegung (vgl Röseler a.a.O.; Schlikker in Barwig, Vom Ausländer zum Bürger, 1994, 531ff.), dass Flüchtlinge, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, nur dann den Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates gleichgestellt werden, wenn sie zugleich Arbeitnehmer sind, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten.
Nach Art 3 Abs. 1 der VO EG 1408/71 haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedsstaates wohnen und für die die VO gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen der VO nichts anderes vorsehen. Dies bedeutet auch, dass anerkannte Flüchtlinge, die zugleich Arbeitnehmer sind und in einem Mitgliedsstaat wohnen, ohne weiteres dieselben Rechte haben wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaates, ohne dass sie zuvor von der Freizügigkeit als Wanderarbeitnehmer in der Gemeinschaft Gebrauch gemacht haben müssen. Eine Fallgestaltung vorauszusetzen, nach der ein Flüchtling zunächst als Wanderarbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit finden müsste, damit seine in Deutschland verbliebene Ehefrau Erziehungsgeld beanspruchen kann, würde der Zielsetzung der Art. 2, 3 und 4 der VO EG 1408/71 widersprechen. Dies belegt gerade die Fallgestaltung in der Rechtsache Hoever und Zachow (= EuGH, InfAuslR 1997, 5), in der die Arbeitnehmer vom Recht auf Freizügigkeit ebenfalls keinen Gebrauch gemacht hatten.
Die Revision war zuzulassen, weil das Urteil von der Entscheidung BSG 10 Rkg 8/96 v. 3.12.96 abweicht.