FG Düsseldorf 10 K 5596/97 Kg, U. v. 21.01.99, EFG 1999, 567, IBIS C1586 (Revision anhängig beim BFH, AZ VI R 40/99). Kindergeld (KG) für jugoslawische Arbeitnehmer aufgrund Sozialabkommens. Die Einschränkung des § 62 EstG, wonach nur Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis Anspruch auf KG haben, gilt für sie nicht.
Der grundsätzliche Ausschluss des KGs für aufenthaltsrechtlich nur geduldete Ausländer durch § 62 Abs. 2 S. 1 EStG wird eingeschränkt durch über- und zwischenstaatliches Recht. Dies ist vor allem der Fall im Bereich der EG (siehe dazu Seewald/Felix, KGrecht, § 62 Rn 141, 142). Der Ausschluss gilt weiterhin nicht für nach der GK anerkannte Flüchtlinge (BFH v. 14.08.97). KGberechtigt sind unter den jeweiligen Voraussetzungen auch Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen Abkommen über soziale Sicherheit bestehen. Ein solches Sozialabkommen besteht auch mit dem ehem. Jugoslawien. Es gilt völkerrechtlich und durch das Zustimmungsgesetz v. 29.07.69 (BGBl. II, 1437) innerstaatlich weiter, bis es für die Nachfolgestaaten durch neue Abkommen abgelöst wird. Nach Art 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d bezieht sich das Abkommen "auf die deutschen Rechtsvorschriften über (u.a.) das KG für Arbeitnehmer. Der Regelungsinhalt KG ist bestehen geblieben, unabhängig davon dass das KG seit 1996 auch den Charakter einer Steuervergütung erhalten hat (wird ausgeführt). Das Abkommen ist aufgrund des Zustimmungsgesetzes unmittelbar anwendbares (self-executing) innerstaatliches Recht. Das gilt auch für den Grundsatz der Inländergleichbehandlung in Art. 3 des Abkommens, wonach in allen Bereichen, auf die sich das Abkommen erstreckt, jugoslawische Arbeitnehmer die gleichen Rechte wie deutsche Arbeitnehmer haben. D.h. sie haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf KG wie Deutsche. Aufgrund der zwischenstaatlichen Vereinbarung wird das nationale Recht hinsichtlich einzelner Anspruchsvoraussetzungen zum Zweck der Koordinierung ergänzt oder modifiziert.
Die allgemeine Regel, dass späteres Bundesrecht früheres Bundesrecht abändert oder ersetzt, gilt im Falle des transformierten Vertragsrechts nur eingeschränkt. Auch wenn es nur einfachem Bundesrecht gleichsteht, ist es in Zweifelsfällen völkerrechtsfreundlich auszulegen. Normwidersprüche sind nach der Regel, dass späteres allgemeines Recht nicht früheres spezielles Recht ändern kann (lex posterior generealis non derogat lex priori speciali). Das Recht der Sozialabkommen enthält Regelungen, die auch gegenüber späterem abweichenden innerstaatlichen Recht als solche Vorrang genießen (sh. dazu Schuler, a.a.O. S. 378; Frank/Schulte/Steinmeyer, Internationales und Europäisches Sozialrecht, S. 84 Rn 21).
Die Auffassung des Beklagten, aus Art. 28 des Sozialabkommens ergebe sich nur dann ein Anspruch, wenn das Kind des Klägers im (ehemaligen) Jugoslawien seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, geht fehl. Nationales Recht über Familienleistungen sieht regelmäßig vor, dass derartige Leistungen nur erbracht werden, wenn das den Anspruch begründende Kind im Gebiet des zuständigen Staates wohnt. Art. 28 erweitert den Anwendungsbereich des Abkommens, um zu verhindern, dass Kinder nur deshalb nicht berichsichtigt werden, weil sie im Heimatstaat des Arbeitnehmers verblieben sind. Diese erweiternde Regelung ist aus der Situation der 60er Jahre verständlich, als die angeworbenen ausländische Gastarbeiter vielfach -jedenfalls zunächst - ihre Familien im Heimatland zurückgelassen hatten. Gegenüber dem Grundsatz, dass ein Kind nur bei Aufenthalt im Inland berücksichtigt werden kann, handelt es sich um eine Erweiterung, nicht eine Einschränkung der Anspruchsvoraussetzungen. Entsprechendes gilt für Art. 73ff. VO EWG 1408/71, wonach die Beschränkung auf den Aufenthalt des Kindes im Inland auf den Kindesaufenthalt in einem anderen EU-Staat erweitert wird (Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn 566f). Sozialabkommen sollen sicherstellen, dass Vertragsstaatsangehörige beim Aufenthalt im Inland den inländischen Staatsangehörigen gleichgestellt werden.
Die Dienstanweisung der Beklagten sieht vor, dass Schweizer aufgrund des dt-schweizerischen Sozialabkommens unter den gleichen Voraussetzungen Anspruch auf KG haben wie Deutsche (FamDA 62.3.3; BStBl I 1998, 400). Mit der Schweiz besteht ein Sozialabkommen mit vergleichbaren Regelungen. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich die Dienstanweisung darauf beschränkt, nur für dieses Abkommen eine Gleichbehandlung vorzusehen.